New York
Es war schon immer ein Segen, einen guten Orientierungssinn zu haben. In den unberechenbaren Straßen Londons fällt es mir leicht, den Weg zu finden, aber in einem logischen Raster wie New York bin ich verloren. Die einzige Möglichkeit, mich zurechtzufinden, ist, den Central Park wie den Nordstern zu benutzen. Ich orientiere mich von dort aus. Darunter, darüber, nach links oder rechts. Das erste Mal besuchte ich ihn in einem kalten Januar auf dem Rückweg von einer Konferenz auf Hawaii. Für zwei Nächte teilte ich mir mit einer Freundin ein Zimmer im prächtigen Algonquin Hotel und traf einen anderen Kaufmann, ein Mann mit dem ich mir den Nachnamen teilte, den sie kannte und der aus Chile stammte. Wenn ich mir die beiden Kaufmanns auf den Felsen im Central Park ansehe, erinnere ich mich, wie stolz ich auf diesen Mantel war, den ich auf einer Reise nach London von meinem ersten Verdienst in Belgien gekauft hatte und den ich so schick fand, weil er ein Mantel aus der Herrenabteilung war.
Es vergingen einige Jahre, bis ich zurückkehrte und so begann ich, mich in der Stadt zurechtzufinden. In dem Jahr, in dem ich in Boston lebte, nahm ich den Amtrak-Zug, der je nach Jahreszeit an der gefrorenen oder nassen Ostküste entlangfuhr. Wenn ich die von Bäumen gesäumten Alleen von Cambridge, Massachusetts, auf dem Weg zur und von der Arbeit entlanglief, war Rosa bereits in meinem Kopf, sie war wie eine Muse, die mir jeden Tag Notizen diktierte. Als ich zum ersten Mal ihre Stimme hörte, sprach Rosa in einem rosa Badezimmer in New York. Aber dann kam mein Leben dazwischen (und Rosa wurde vom Leben zur Seite geschoben). Als ich wieder zu schreiben begann, wandte ich mich dem anderen Roman zu, welcher ebenfalls 1985 in den USA entstand. Bei meinem nächsten Besuch durchstreifte ich ganz Manhattan, vom National Museum of the American Indian in Bowling Green im Süden bis hinauf nach Harlem und in die Bronx, auf der Suche nach der Textur und dem Material, das meiner Arbeit Leben einhauchen sollte. Erst als ich „The Cushite“ fertiggestellt hatte, fand ich schließlich den Weg zurück zu Rosa.